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Geschichte des sächsischen Dorfes Großpold in Siebenbürgen

von David Krasser

Die Emigranten-Einwanderung 1730--1770

Wenden wir uns von diesem schwarzen Schattenpunkte nunmehr zu einem hellen, zum hellsten Lichtpunkte des neuerblühenden Gemeinde-Lebens. Es ist dies die sogenannte "Emigranten= Einwanderung", die unverkennbare Hauptquelle der neuerwachsenden Kraft und Blüte an Zahl und Wohlstand der Bewohner. Kein unbefangener Beobachter unseres heutigen Gemeindebildes kann diese verkennen. Nicht nur die neuerstandenen Gassen oder Gassenteile, sondern fast jedes zweite oder dritte Haus spricht dafür als handgreiflicher Zeuge. Möglich, das blinde Thorheit und kurzsichtiger Neid dem ersten Erscheinen der Ansiedler einst scheel entgegenblickte, die gegenwärtige, auf 130 Jahre gestützte Erfahrung von dem Werte der Einwanderung für das Ganze macht jeden Gegner verstummen. Ja Niemand würde wohl heute, da sich auch die anfängliche Fremdheit und Geschiedenheit der beiden Elemente des alten und neuern Einwohnerstammes bereits in vielen Stücken ausgeglichen hat und in nicht allzuweiter Ferne allmälig ganz ausgleichen wird, um den vermeintlichen Mehrbesitz an Boden für eine kleinere Anzahl der Urfamilien, die offenbaren Vorteile, die auch diesen durch die Neubelebung des Ortes erwachsen sind, hingeben!
Die österreichische Emigration, als deren letzte, verschwimmende Wellenschläge die geringen Einwanderungszüge nach Neppendorf, Großau und schließlich nach Großpold sich Siebenbürgen zukehrten, war überhaupt eine Erscheinung des vorigen Jahrhunderts, die einer größern Aufmerksamkeit würdig ist. Sie umfaßt nämlich die Summe von 4 bis 5000 Familien, oder über 23000 Personen, die zwischen den Jahren 1730-70 um des evangelischen Glaubens willen Haus und Hof in den österreichischen Erblanden verließen, um sich zum größten Theile im östlichen Preußen eine neue Heimat zu gründen. Als sich nämlich der Protestantismus des 16. Jahrhunderts in seiner mächtigen Geistesströmung trotz aller ihm vorgeschobenen Schranken und Riegel auch über diese Lande ergossen hatte; war es den Anhängern desselben im sogenannten Salzkammergute im Jahre 1571 gelungen, sich dem Kaiser Maximilian dem Zweiten eine Schutzschrift zu erwirken. Allein die Kraft seines Schutzbriefes starb mit demselben Regenten. Geschürt durch den nimmerruhenden Eifer der Jesuiten und ihrer bereitwilligen Helfershelfer begannen nur zu bald wieder die alten Bedrückungen und Verfolgungen des protestantischen Glaubens. Der Ausbruch des dreißigjährigen Krieges im Jahre 1618 gab endlich den völligen Ausschlag. Schon sechs Jahre nach seinem Beginn gab Kaiser Ferdinand den Befehl, daß alle protestantischen Lehrer und Prediger aus seinen Erblanden binnen acht Tagen zu entlassen seien. Zwei Jahre später wurden sie gänzlich vertrieben und katholische an deren Stelle eingesetzt, und so erzählt Neidinger in seiner 1653 zu Leipzig gehaltenen Predigt, es sei ein früher evangelisch gewesener, darauf aber katholisch gewordener Edelmann zu Neuhaus gleich einem Rasenden mit der Peitsche von Haus zu Hause gelaufen und habe seine Unterthanen auf diese Weise zum Schlosse getrieben, um sie katholisch zu machen.

Die Lenkung des Auswanderungsstromes nach Siebenbürgen.

Das ist in seinen Haupterscheinungen dargestellt der Umfang und Zug des salzburgischen Auswandrungsstromes,dessen letzte Wellenschläge geringen Inhaltes ihre Richtung nach Siebenbürgen hereinschlugen. Aber warum, fragst du, mußte sein Bild unsrer dessen Abschluß bildenden Großpolder Einwanderungsgeschichte vorangeschickt werden? Es liegt eben darin der Schlüssel zu ihrer Erklärung. Es liegt darin aber auch zugleich der traurige Beweis dafür, wie lange Zeit und welcher handgreiflicher Gründe es bedurfte, um den östreichischen Staatsmännern die Augen zu öffnen, ihren durch ein unduldsames, fanatisches Priesterregiment genährten Ketzer-Abscheu zu besiegen und den Abfluß so wertvoller Arbeits- und Steuerkraft in ein fremdes Land der Ostmarke des eignen Reiches zuzuwenden, wo die damalige Verödung des treuen Sachsenlandes, der bewährten Stütze des Thrones, jener vom preußischen Lithauen gewiß sehr ähnlich war. Drei Jahre lang mußte man erst zusehn, an 4 bis 5000 Familien verlieren, bis endlich eine sogenannte Reformations-Comission aufgestellt ward, welche am 29. Mai 1734 vier und vierzig auswandrungslustige Hausväter zu sich beschied, um ihnen anzukündigen, sie sollten sich bis zum 6. oder 7. Juni fertig machen bei Linz zu Schiffe zu gehn und nach Siebenbürgen zu fahren, allwo sie den Rest empfangen würden. Dreizehn Männer traten darauf hervor, um offenmüthig zu erklären; wenn man sie bloß deshalb nach Siebenbürgen führen wolle, damit sie dort den Rest empfingen, so könne man ihnen denselben auch sogleich geben, da sie bereit wären ihr Leben um des Evageliums willen einzusetzen.

Erste Ansiedlung in Neppendorf 1734.

Aber die gegebne Verheißung wurde nicht erfüllt. Eine neue Verzögerung wurde eingeleitet, bis ihnen auf ein Gesuch der Reichsstände vom 19.Juni den 4. Juli der 9. desselben Monats als Tag der Abfahrt angekündigt wurde. Diese Bestimmung wurde nun auch eingehalten. Bei Klosterneuburg wurden die Eingeschifften durch den Regierungskommissär von Zelto und durch den sächsischen Hof-Deputierten Johann Kinder von Friedenberg in Empfang genommen. Der Letztere erklärte ihnen hierauf, wie die sächsische Nation nach Siebenbürgen gekommen sei, und sich fast ausnahmslos zur Augsburgischen Confession bekenne. Ihnen seien die gesündesten Orte in der Nähe von Hermanstadt gelegen--nähmlich Neppendorf und Großau aselbst zugedacht worden. Er wolle sie bis Ofen begleiten und dann vorauseilen, um ihren Empfang in der neuen Heimat vorzubereiten. Der kaiserliche Commissär habe ihnen auch die Diurnen (Taggelder) etwas verbessert.Dafür dankten die armen Leute dem Kaiser mit aufgehobenen Händen und zogen alsdann fröhlichen Muthes vorwärts. Bei ihrer Anreise von Klosterneuburg fanden sich 47 Familien, die aus 82 Männern und Frauen, 4 Witwen, 80 Söhnen, 89 Töchtern und 2 Knechten, zusammen aus 263 Köpfen bestanden.
Am 20. August 1734 trafen sie in Großau ein, wurden jedoch von hier-wie es das Hermannstädter Magistrats-Protokoll vom 21. August beweist--zunächst bis nach Heltau befördert und dort einstweilen einquartiert. Der kaiserliche Commissär bezeugte als Begleiter ihrer sieben Wochen dauernden Reise auch nicht ein einzig böses Wort aus ihrem Munde vernommen zu haben. Die erste That nach ihrer Ankunft in Siebenbürgen sei ihre Danksagung gegen den Kaiser gewesen. Nach achttägiger Verpflegung mit Fleisch und Brot und Austheilung je eines Kübels Frucht an jede Familie wurden sie dem zum Baue ihrer Wohnungen in Neppendorf bestimmten Herrn Stadthauptmann Hamlescher zur Hilfeleistung verordnet. Wie wohl ihnen dabei gewesen, und wie zufrieden sie sich fühlten, möge uns der Brief selber sagen, welchen Paul Kaiser am 29. August 1734 seinem Sohne Johann Kaiser mit folgendem Inhalte zuschickte:"Unsre Reise ist zu Wasser und zu Lande glücklich fortgegangen und wie wir in Siebenbürgen an denen evangelischen Orten angekommen sind, haben uns sowohl weltliche als geistliche Herrn mit Freuden empfangen und uns gnädig begabet mit Geld,Fleisch, Wein und Bier und anderem mehr und wie wir unsre Reise vollendet und in Heltau einquartiert sind, so haben sie uns nicht allein mit leiblicher Nothdurft reichlich begabet, sondern haben auch einer jeden Familie ein Johann Arnd´ Paradiesgärtlein und einer jeden Person Luthers Katechismum und andre schöne Bücher verehret. Wir haben auch Gott sei ewig Lob und Dank gute, eifrige evangelische Regenten und Obrigkeiten, die uns sowohl in geist- als leiblichen Sachen Schutz tragen und einen Jedweden nach Stand und Vermögen zum weiteren Fortkommen helfen. Wir haben auch Gott sei Lob und Dank gute evangelische Prediger, die uns das reine Wort Gottes klar vortragen."
In ähnlicher Weise beginnt auch Mathias Fischer einen Brief an seine Brüder Hans und Josef den 9. September desselben Jahres folgendermaßen: "Lieben Brüder ich schreibe Euch aus brüderlicher Liebe und mache Euch zu wissen, daß ich bis noch dato frisch und gesund bin und mein Stückel Brod hier in Siebenbürgen reichlich zu gewinnen habe, und wollte, Gott schickte es, daß es in meinem lieben Vaterlande auch also stünde, wie hier in Siebenbürgen!"

Zweiter Transport nach Neppendorf und Großau 1735.

Dieser ersten in Neppendorf angesiedelten Schaar folgten am 9. Oktober und 29. November 1735 eine zweite und dritte aus Oberösterreich nach und wurden zum Theil ebenfalls in Neppendorf, zum Theil aber in Großau angesiedelt. Das darüber angefertigte Zeugniß weist nach, das 10 Männer, 7 Frauen, 11 Söhne und 10 Töchter, also zusammen 38 Personen nach Neppendorf, 12 Männer,11 Frauen, 17 Söhne und 21 Töchter, zusammen 61 Seelen nach Großau gekommen seien. Es wurden mithin in diesen zwei Jahren 4--500 Emigranten nach Siebenbürgen gelenkt, nachdem in den frühern drei Jahren bereits über 20000 nach Preußen und Holland und sonsthin gegangen waren.

Die Emigranten-Ansiedlung in Großpold 1752.

Unter dem Schutze und mit Beihilfe der Regierung kamen nun, wie Professor Schmidt mit Berufung auf das Hermannstädter Magistrats-Protokoll darstellt:
im Mai 1752 von Obersteiermark nach Mühlbach 15 Pers.
im August 1752 von Obersteiermark nach Großpold 168 Pers
im Oktober 1752 von Oesterreich nach Kleinpold 60 Pers.
im August 1753 von Steiermark und Kärnten nach Petersdorf 200 Pers
im September 1753 von Steiermark und Kärnten nach Deutschpien 75 Pers
im April 1754 von Steiermark und Kärnten nach Broos 200 Pers
im September 1754 von Steiermark und Kärnten nach Romos 600 Pers
das ist 2218 Pers
denen von 1756 bis 1762 noch 1441 Pers
gefolgt sind.
Die Großpolder Ansiedler gehörten demnach zu den ersten dieser neuen Auswandrungshaufen. Eine besondre Aufzeichnung der zugewanderten Familien findet sich in dem hiesigen Kirchenarchive leider nicht.Ebenso wenig gibt es hier eine Auskunft über Zahl und Kosten der für die Transmigranten erbauten Häuser. Eine dem alten Thurmknopfe entnommene aus dem Jahre 1805 herrührende Schrift des damaligen Geschwornen Georg Roth besagt aber, daß zu der Zeit 114 sächsische und 73 deutsche Häuser vorhanden waren, wovon jedoch manche auch zwei Wirthen beherbergt hätten.
Ziehn wir indessen die sicherlich unzweifelhafte Quelle über die Zeit und wenigstens wahrscheinliche Größe der Einwanderung und Ansiedlung in die Gemeinde Großpold, nämlich ihr damaliges Todten-, Tauf- und Trauungsbuch zu Rathe, so finden wir obige Nachricht des Hermannstädter Magistrats-Protokolles allerdings bestättigt, inwiefern die daselbst angeführte Zahl und die Ansetzung der Großpolder unter die Vordersten des Transmigrantenhaufens mit den in dem Kirchenbuch vorfindigen Daten sich in Einklang bringen läßt. In Betreff des Zeitpunktes der Ansiedlung muß jedoch angenommen werden, daß dieselbe bloß zu Ende des Jahres 1752 Statt gefunden habe, da sich bis zum 5. Januar 1753 kein Todesfall, bis zum 31. März 1753 keine Taufe, und bis zum 25. Mai 1755 keine Trauung eines Transmigranten aufgezeichnet findet. Der ersten Leiche folgten aber in demselben Jahre noch 9, im folgenden Jahre 1754 schon 16, und im Jahre 1755 sogar 26 Transmigranten-Leichen. Aus derselben Quelle geht gleichzeitig hervor, daß die Ansiedler aus ganz verschiedenen Ländern und Gegenden durcheinander gewürfelt waren. Auch mögen Manche ihren ersten Ansiedlersort wieder verlassen haben.

Das alte Großpold vor der Emigranten-Einwanderung.

Betrachten wir nun die Umwandlung der Dinge in Folge der eben beschriebenen Ansiedlung. Das Dorf Großpold hat vor derselben wenig über 100 Wirthen. Seine Grenze erstreckt sich nordwestlich nur bis unterhalb des Pfarrhauses, wo wir gegenwärtig das neue Gemeindehaus vor Augen haben. Hinter dem Pfarrersgarten befindet sich noch keine Gasse und auch die Mittelgasse erreicht ihr damaliges Ende bereits da, wo jetzt die Neugasse darein mündet. Gegen Morgen und Mittag hin bleibt dessen Ausdehnung ebenfalls weit zurück hinter den heutigen Grenzen des Dorfes. Um die Wohnhäuser und die daran stoßenden Hausgärten erstreckt sich rund um die Gemeinde gleich einem Gürtel ein wüster Weideplatz, dessen Bestimmung es zu sein scheint, einerseits den Unrath und die Ueberreste zu Grunde gegangner Hausthiere zu beherbergen, andrerseits einen Schutzwall für die daranstoßenden Felder gegen das ausreißende Vieh zu bilden. Auch die Aecker selber gewährten alljährlich blos auf der einen Seite den erfreulichen Anblick des Segens, den fleißige Menschehand der Erde abzugewinnen vermag, denn die andre Hälfte des ganzen Gemeindefeldes liegt brach und wird vom Viehe beweidet. Es fehlt an den Händen und sonstigen Mitteln die Menge des Grundes auszunützen. Von einer Ausdehnung der Spekulationslust in die benachbarten Gebirge, wie wir sie im vorigen Jahrhundert kennen lernten, ist keine Spur mehr vorhanden. Ueberall, wo der Boden seiner Natur nach mit Dorn, Stein und Moor dem Menschenfleiß hindernd entgegentritt, behalten die Hindernisse die Oberhand und es durchziehn bald Dornhecken, bald Steinadern, bald sumpfige Moorgründe die üppigen Saatfelder ihren Anblick gleichwie schmutzige Flecken den Anblick eines reinen Kleides entstellend. Und wie erscheint uns das Bild der Gemeinde inmitten des eben geschilderten Natur-Rahmens ?
Auf ihrer südwestlichen Anhöhe steht ein Thurm von etwa 16 Klafter Höhe in romantischem Baustyl aufgebaut und oben versehn mit einer vorspringenden Galerie von Holz, an welche sich das niedrige Thurmdach anschließt. An diesen Thurm stößt das östlich liegende kleine Kirchlein mit seinen zwei Eingangshallen und einem nothdürftigen Schindeldach. Um Thurm und Kirche zieht eine feste Ringmauer, an deren Südostseite ein mächtiger Bastei- und Vorrathsthurm emporsteigt, während gegenüber dem Kirchthurme noch ein kleines Thorthürmchen steht. Es sind dies die alten Bollwerke der Gemeindevertheidigung in vergangnen Zeiten und noch immer machen sie den größten und besten E
ndruck auf den Beschauer des Ganzen. Denn Alles, was von denselben eingeschlossen wird, trägt den traurigen Stempel der Noth und Armut an sich. Es ist Alles in einem kläglichen Zustande, dem Verfalle sehr nahe. An der Westseite lehnt sich das Schulgebäude mit seinen zwei engen Zimmerchen an die Ringmauer. Etwas weiterhin erhebt sich im Nordwesten das Pfarrhaus, dessen älteste Bestandtheile allerdings von fester Anlage zeigen und durch einen unterirdischen Gang bis unter die jetzige neue Schule befestigt gewesen sein sollen, aber auch dieses Gebäude ist mit einem Schindeldach bedeckt, von dessen Spitze ein messingnes Fähnlein mit dem sächsischen Nationalwappen und der Jahreszahl 1722 traurig herabsieht und ungleiche, kleine Fenster lassen das Tageslicht in die innern Räume.
An das Pfarrhaus schloß sich wieder innerhalb der Ringmauer liegend, die Organistenwohnung, dann das Cantorsquartier und schließlich im Osten der Kirche die sogenannte "Thurmport". Der vom Pfarrhof über die Gasse befindliche Predigerhof lag noch ganz wüste. Die Schule hatte noch nicht Glasfenster, woraus sich wohl mit Recht schließen läßt, daß gleich den beschriebnen auch alle übrigen Häuser in der Gemeinde nur Schindel-und Strohdächer haben und sich höchstens die besten Wirthe einiger Glasfenster erfreuen mochten. Zu den Häusern paßten endlich natürlicher Weise auch deren weite, meistentheils wüst aussehende Höfe mit ihren geflochtenen Zäunen, Thoren und Thüren.
Das ist beiläufig ein gewiß wahrheitsgetreues Bild von dem Aussehn der Gemeinde und ihrer nächsten Umgebung vor der neuen Ansiedlung, ein Bild, welches namentlich jenem blöden Unverstande scharf vorzuhalten ist, der noch immer an der irrigen Meinung festhält, das Glück einer Gemeinde beruhe auf der überreichen Bodenmenge für deren einzelne Bewohner, und Volks- und Wohlfahrtsmenge stehe daher zu einander in unausbleiblichen Gegensatze. Vorhalten muß man ihm, wie z. B. eben hier in dem gegenwärtig etwa viermal so stark wie damals bevölkerten Orte selbst der ärmste Hausbesitzer schon besser wohnt und im Ganzen auch bequemer und angenehmer lebt, als damals die ersten Wirthe wohnten und lebten. Und zeigen muß man ihm an solch handgreiflichem Beispiel, daß die Frucht irdischen Wohlstandes nicht aus der bodenreichen Einsamkeit, sondern vielmehr grade aus der die Natur bezwingenden Menge der Menschen hervortreibt, wenn nähmlich Fleiß, Ordnung und Rechtssinn in der Mitte derselben gepflegt wird.

Die Umwandlung des alten in das neue Großpold.

Doch die neue Wandlung der Dinge selber, wie sie uns aus den Rechnungen und sonstigen urkundlichen Nachrichten des verflossnen Jahrhunderts seit der Einwandrung der Transmigranten entgegentritt, soll uns davon überzeugen. Einige Zeugnisse der sich regenden Gemeindethätigkeit treten uns zwar schon vor derselben entgegen. Die Kirchweingärten, eine Hauptquelle des Kirchenbeutels werden im Jahre 1733 durch 40 Fuhren Dünger verbessert. Die beiden Hallen der Kirche sammt dem ganzen Chore und der Mittagsseite derselben wurden theils neu gedeckt, theils überstiegen und das Thurmdach in denselben Jahre 1740 ausgebessert. Im Jahre 1750 wird die Erbauung eines neuen Altares beschlossen, wozu 81 fl. 36 kr. durch freiwillige Beiträge zusammengebracht, das Uebrige bis zu 170 fl. aus dem Kirchenbeutel genommen wird. Zwei Jahre später wird eine neue Scheune auf der Parochie erbaut, deren Kosten sich außer der Dorfsarbeit auf 131 fl. 87 kr. belaufen, und schon im folgenden Jahre auch Kirche und Thurm abermals überstiegen.
Aber mit verdoppelter, neuer Kraft und Wirksamkeit ersteht der schöpferische Geist in dem Schooße der durch die Ansiedlung vermehrten Gemeinde. Das im Jahre 1731 mit Schindeln gedeckte Pfarrhaus erhält 1755 einen neuen "liegenden Dachstuhl und wird mit Schiebziegeln eingedeckt". Die davon Erwähnung machende Rechnung meldet zugleich nicht nur, daß, sondern auch wie und warum es dazu gekommen war. In Ansehung der vielen Beschwerlichkeiten, welche der opferwillige Pfarrer Johann Bruckner mit den Emigranten gehabt, habe sich der k. k. Emigranten- Commissär Herr von Seeberg veranlaßt gefunden, das Gehölz sammt Brettern, sowie auch Maurer und Zimmerleute zu dieser Herstellung zu verabfolgen. Der erwähnte Umbau war somit ein Verdienst des Pfarrers und eine Frucht der Einwandrung. Durch sie hatte die Gemeinde schon ein ganz verändertes Aussehn bekommen. An der Nordwestgrenze des Pfarrhauses war die neue Emigrantenschule errichtet worden. An sie schlossen sich die Emigrantenhäuser der Neugasse und hinter dieser war noch eine zweite, die schnurgrade hinlaufende Hintergasse gebaut worden.Die unter der Leitung des erwähnten Emigranten-Commissärs gebauten Wohnhäuser wurden alle nach einem Muster aufgeführt und zeigen, namentlich in der letztgenannten Gasse bis heutigen Tages die beliebte Bauart. Sie bestehn nämlich aus je einem geräumigen Zimmer gegen die Gasse mit zwei Fenstern, einem Vorhause als Sommerküche und einer rückwärtigen Kammer, gegenwärtig aber ebenfalls in ein Zimmer verwandelt. Dazu zieht an jedem Häuschen der Länge nach ein den Eingang schützender von Holzsäulen getragner Gang, aus welchem später hin und wieder kleine Zimmerchen gemacht worden sind.

Pfarrhausbau 1818

Dessenungeachtet ließ Leonhard sich von seinem Vorsatze nicht zurückschrecken, sondern brachte auch den Pfarrhausbau bis zum Jahre 1818 zu Stande und so verdanken denn seine Nachfolger seinem mit Edelmuth gepaarten Reichthum die Bequemlichkeit und Freundlichkeit der 12 Fuß hohen mit Klafter großen Fenstern versehenen, schönsten Zimmer, die Gemeinde aber hat in ihm den Mann zu schätzen, der ihr dadurch die Ehre, bezüglich der Anständigkeit der Pfarrerswohnung seither unter die Ersten des Capitels zu gehören, erwirkt hat.

Der Kirchenbau 1836.

Aber nicht nur der Bau des Pfarrhauses, sondern auch noch Größeres sollte unter Pfarrer Leonhard am Abende seines Lebens von der eifrigen Gemeinde vollbracht werden. Die neue Eindeckung des Thurmes mit an Draht befestigte Ziegeln im Jahre 1822 und der Umguß der Mittelglocke im Jahre 1824 sind nur unbedeutende Aufgaben und Zielpunkte des Strebens neben dem noch immer seiner Ausführung harrenden Kirchenbau. Auch dieser sollte nun in dem dritten Jahrzehnt des Jahrhunderts zur Ausführung gelangen. Am 30. August 1836 wurde Leonhard die Leichenrede als erste Rede auf der von ihm gewidmeten Kanzel des neuen Gotteshauses gehalten. Zur Einweihung desselben kam es jedoch erst nach Ausfertigung der ganzen innern Einrichtung am 29.Juni 1838.
Pfarrer Johann Georg Buchinger von 1836-1848 und Johann Haas 1848-1860.

Der Schulbau 1853-1859.

Die tiefergreifende, im Gedächniß der Gemeinde heute noch fortlebende Weiherrede hat Leonards Nachfolger, der geistvolle Redner Johann Georg Buchinger gehalten, der neben dem neuen Gotteshause auch den geistigen Innerbau der Gemeinde, die Zucht und Ordnung mit seinem mächtigen Worte und fester Rectorhand herstellte. Die geistige Saat, die er streute hat gewiß Wurzeln geschlagen für mehrere Jahrzehnte. Darauf konnten daher auch seine Nachfolger um so erfolgreicher fortbaun. Und also geschah es auch wirklich. Als ein unvergängliches Denkmal, als ein unübertrefflicher Gemeindeschmuck steht die evangelische Schule da, deren Grundstein von Buchingers Nachfolger Johann Haas am 5.Oktober 1853 gelegt worden ist. Ihre Vollendung und Einweihung erfolgte nach 6 Jahren am 28.September 1859. In demselben Jahre wurde auch die gemauerte, ziegelgedeckte Scheune auf dem Pfarrhofe unter demselben Pfarrer aufgebaut.

Jahr-und Wochenmarktprivilegium 1820.

Ueberdies hat Leonhard der ihn kränkenden Gemeinde auch noch dadurch in recht priesterlicher Weise mit Wohlthun vergolten, daß er während derselben Zeit seinen Einfluß und manche Mühe daran wandte, derselben zu dem ihr im Jahre- 1820 ausgestellten Jahr- und Wochenmarkts- Privilegium zu verhelfen. Als Beweis der Dankbarkeit für seine Mühe wurde ihm darauf die freie Benützung des Burgkellers unter dem Bastei- und Vorrathsthurm bewilligt und der erwähnte Keller auf Gemeindekosten im Jahre 1820 hergerichtet.

Hausbuch des Mathias Baldinger 1754.

Andre kamen erst später nach. So bezeugt z.B. das mir vorliegende Hausbuch des Mathias Baldinger, nach Vorrausschickung des Versen:
"Ich bin ein armer Exulant
Also muß ich mich schreiben.
Man thut mich aus dem Vaterland
Um Gottes Wort vertreiben,
Da ich weiß wohl Herr Jesu mein
Es ist dir auch also gangen.
Jetzt will ich dein Nachfolger sein;
Mach Herr nach deinem Verlangen!"
"Im Jahre 1754 am 14. Tag Augusto sein wir nach Millenbach kommen zu einem Durlacher in`s Quartier. Den 23. Tag ist die liebe Mutter gestorben und der liebe Vater ist gestorben den 26.Tag desselben Monats. Da wir mit dem königlichen Profeten David aus dem 47.Psalmen sprechen: "Denn mein Vater und Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf!"--Ebenso citirt unser Chronist bei dem im Jahre 1757 notierten Tode der verwandten Katharina Käsbergerin folgende Zeilen eines Liedes das also lautet:
"Nichts Betrübters ist auf Erden,
Nichts kann so zu Herzen gehn,
Als wenn arme Witwen werden,
Wenn verlassen Waisen stehn
Ohne Vater, ohne Mutter,
Ohne Freund und ohne Gut.
Witwen sind verlassne Frauen,
Wer thut auf die Waisen schauen!"
Und --um auch noch eine Probe seiner Belesenheit und seines frommen Herzens hier beizufügen -- stehe schlüßlich auch der zu seinem Hochzeitstage gemachte und also lautende Auszug aus einem "gewissen Liede":
"Den Ehstand hie auf Erden
Man billig ehren soll.
All die da eh`lich werden
Thun Gott gefallen wohl.
Denn uns vermeld`t die Schrift,
Daß er ihn hat gestifft
Sein `Kirch`und Gemein zu mehren, Die seine Ehre betrifft."

Hausbuch des Jakob Laßner 1754.

In Uebereinstimmung mit dem Vorrausgeschickten erzählt auch das Jakob Laßnerische Hausbuch also:
"1754 sein wir aus Kärnthen nacher Siebenbürgen transmigrirt worden und eben das Jahr ist mein Vater in Schellenberg gestorben seines Alters 34 Jahre." Seine weitern Vormerkungen "Im Jahre 1774 habe ich das Haus sub. Nro. 65 gekauft um fl. 200. --Im Jahre 1783 bin ich als der Erste von den Transmigranten durch den Königsrichter Michael Roth und Stuhlsrichter Georg Klein in die Altschaft eingesetzt, im Jahre 1784 von Georg Roth auf Befehl der Stuhlsofficianten zum Geschwornen berufen und 1785 am 9.Oktober bei dem Herrn Pfarrer Johann Friederici als der Erste von den Deutschen zum Ortsrichter gemacht und endlich am 17.Mai 1787 von Herrn Pfarrer Johann Lang zum Kirchenvater bestellt worden" bezeugen die vor sich gehende Innerentwicklung und allmälige Verschmelzung der neuen Ansiedler mit den frühern Eingebornen zu einem Körper.
Als Wittrungs-Vorfall erwähnt dasselbe Hausbuch im Anfang Mai und später vom 10.bis13.Mai 1814 einen großen Schneefall doch ohne Frost.

Spätere Nachzügler 1774 bis 1777.

Noch glaube ich zum Schluße, um die Transmigranten-Angelegenheit vollständigst zu beleuchten, nicht unerwähnt lassen zu dürfen ein Schreiben der "Transmigranten-Commission" gefertigt durch Georg Ba´nfy und Johann Edeln von Schatzberg, welches im Jahre 1774 an den Großpolder Pfarrer Johann Andreas Friederici in deutscher Sprache gerichtet ward, und den untrüglichen Beweis liefert, daß die Nachfolge vereinzelter Nachzügler bis zu dieser Zeit noch immer fortdauerte. Die Commission erklärt nämlich in ihrem Schreiben, daß Se.Majestät die volle Gewissensfreiheit gewährt habe, jedoch verlange,es sollen die Fälle jedesmal einberichtet werden, wenn Einzelne heimlich herbeikämen, um sich zur evangelischen Lehre zu bekennen, wie dies ein gewisser Georg Sonnleitner gethan habe,der aus Kärnthen hieher entwichen sei. In einem andern ebenfalls deutsch verfaßten Schreiben vom Jahre 1777 eröffnet die noch immer bestehende Transmigranten-Commission, der die Geburts-und Sterberegister der Ansiedler alljährlich eingeschickt werden mußten, unter Josef Baron Miske und Johann Martin Roibel an denselben Pfarrer, daß die Steirischen Schuldenreste erst binnen Jahresfrist könnten bezahlt werden, weil man die Schuldner sonst contributionsunfähig machen würde, und trägt ihm zugleich auf, diese Eröffnung in der Kirche bekannt zu geben

Das gegewärtige(1870) Bild der Gemeinde.

So sehn wir nun gegenwärtig an der Stelle, wo vor 200 Jahren Noth und Elend, Entvölkerung und Verödung ihren Höhepunkt fast bis zur gänzlichen Auflösung des Ortes erreicht hatten wieder eine wohlhabende und reich- bevölkerte Gemeinde vor uns, bepflanzt mit stattlichen Wohnhäusern; feuerfesten Scheunen und gemauerten Thoreinfahrten, geschmückt durch ein neues Gemeindehaus, eine neue Schule, neue Kirche und Thurm, versehn mit obstreichen Gärten, mit einer ringsum fleißig angebauten Feldmarke ohne wüste Plätze und müßige Brachfelder, nebst ansehnlichen, neuen Weingarten- Anlagen, eine Gemeinde mit offnem Sinne für Fortschritt und Verbesserung und darum unter den ersten Landgemeinden der Heimath, die sich eines Vorschuß- und Lesevereines erfreuen. Auch ist durch die Erben des Pfarrers Buchinger ein Legat von 100 fl M. zur Unterstützung armer Schulkinder, und durch Pfarrer Michael Möckel aus einer Sammlung unter den Gemeindegliedern ein Pensionsfond für die Witwen und Waisen der Geistlichen und Schullehrer des Ortes gestiftet worden, dessen Activum sich gegenwärtig auf 260 fl.beläuft. Weises Walten der Führer auf dem segensreichen Boden einträchtigen Gemeinsinnes gepaart mit rührigem Fleiße und pünktlicher Ordnung bei gleichzeitiger Bearbeitung der Aecker und Gärten, sowie auch gegenseitiger Unterstützung bei Bauten, Aufrechthaltung frommen Sinnes und reiner Sitte in Bruder-, Schwester- und Nachbarschaften, und endlich rühmlicher Besuch des Schul- und Gotteshauses haben dazu gewirkt und beigetragen und so werden denn die Weisen der Gemeinde nicht aufhören auf diesem guten Grunde fortzubauen und mit dem vorwärts drängenden Geiste der Zeit auch selber unverdrossen und unermüdet vorwärts zu schreiten!
Aus urkundlichen Quellen verfaßt von David Krasser.Hermannstadt, 1870. Druck von Josef Drotleff.